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Ballade von Anna und Anne


HexxHexx

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Anna

 

Anna liebte einen Brunnenbauer,

der der sah sie nie an.

Konrad sah sie, als sie Wäsche hätte,

stand herum war Mann.

 

Anna ließ sich von ihm küssen

nach dem Feuerwehrball.

Dann hat er sie nehmen müssen,

den man wußte es überall.

 

Ihre Liebe brannte sechzehn Wochen,

dann zog sie zu ihm hin,

kriegte nacheinander vier Kinder,

wusch und kochte für ihn.

 

Er war Kutscher, brachte Holz und Kohlen

zu den Leuten in der Stadt,

soff nur einmal in der ganzen Woche,

und er machte sie satt.

 

Wenn die Anna wußte, daß er fremd ging,

trug sie immer ihr schwarzes Kleid,

denn dann war sie, wie sie sagte,

eine Witwe auf Zeit.

 

Doch sie stellte weiter alle Tage

seinen Topf auf den Herd.

Und sein Messer stak in dem Brotlaib,

wenn er mürrisch heimgekehrt.

 

Anna schlief dann in der Küche,

auf der Herdbank, graue Maus.

Und die nichts als seine Magd war,

zog sich nicht für ihn aus.

 

Vor den Kindern, wenn es nötig wurde,

nannte sie ihn, den Herrn Schmidt.

Danach soff er meist vier Tage,

weil er wußte, wie sie litt.

 

Aber immer nach sechzehn Wochen

wusch die Anna ihr Harr,

legte vorher ihr schwarzes Kleid ab

und was schwarz an ihr war.

 

Anna trug dann bunte Kleider,

wenn er nachts wiederkam.

Anna sang vor sich hin und lachte -

wie am Tag, als er sie nahm.

 

Im wieder, in allen Jahren,

trat sie so vor ihn hin,

dann vergaß Konrad jede andre,

so sehr liebte sie ihn.

 

Anne

 

Anne hatte ihre Mutter

niemals weinen gesehn.

Da hat Anne sich geschworen,

das wird ihr nicht geschehn.

 

Anne war nie zu Diensten,

Anne beugte sich nie,

Anne wurde nie Frauchen,

kam ihr einer ans Knie.

 

Anne kannte manche Schwäche,

auch die Schwäche als Frau.

Doch wo andere wegsahn,

sah die Anne genau.

 

Anne fragte sich manchmal,

was die Männer so stört,

wenn sie merken, das zum Körper

auch ihr Köpfchen gehört.

 

Anne liebte und lernte

und verdiente ihr Geld.

Dann hat Anne dem Dozenten

eine Frage gestellt.

 

Anne kriegte zwei Kinder,

Anne wurde Doktor.

Doch der Mann, der sie machte,

kommt bei ihr nicht mehr vor.

 

Dieser wollte auf einmal

seine Ruhe bei ihr,

doch da setzte die Anne

seinen Stuhl vor die Tür.

 

Anne geht jeden Morgen

wie ein Mann aus dem Haus.

Manchmal fragt sie sich selber:

wie lang hälst du das.

 

Manchmal fragt sich auch Anne -

kann es nicht leichter sein?

Dann besucht sie die Mutter,

dann sagte Anne sich: Nein.

 

Jetzt lebt Anne mit einem,

der den Kindern gefällt

und nichts will, was nicht Anne

selber will von der Welt.

 

Einmal fragte Anna ihre Anne:

"Kind, wie wird das nur gehen?"

Da hat Anne sie gestreichelt.

Doch, das werden wir sehn.

 

- Heinz Kahlau -

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