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Der fremde Mann in meiner Küche


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Mein Mann behauptet, ich nörgele zu viel herum. An dem falschen Brot, das er gekauft hat. An dem Abendtermin, den er mir nicht frühzeitig mitgeteilt hat. Daran, dass er zu viel Sport macht, zu wenig mit dem Hund rausgeht oder die Küche nicht aufräumt, ein Kind zu spät geweckt, abgeholt oder ins Bett gebracht hat. Ich sage, ich sei gezwungen zu nörgeln, weil alles, was er versäume, von mir ausgebadet werden müsse, und das sei eine Ungerechtigkeit, die ich nicht klaglos hinzunehmen bereit sei. Rund 90 Prozent aller Elternpaare, die ich kenne, führen zu Hause exakt die gleichen Gespräche. Das Leben ist in mancher Weise unoriginell.

Neulich war mein Mann eine Woche lang verreist. Das bedeutete, dass ich mich eine Woche lang um alles allein würde kümmern müssen. Von Tag zu Tag war ich besser gelaunt. Ich ging mit dem Hund raus, ohne zu denken: "Wieso muss ich das schon wieder machen?" Ich räumte die Küche auf, ohne zu grollen: "Erst kaufe ich ein, dann koche ich, und nun wäscht der nicht mal die Töpfe ab." Icht weckte die Kinder, ohne zu rechnen: "Das ist schon das vierte Mal in drei Wochen, dass der bis sieben im Bad bleibt." Ich rief eine verheiratete Freundin an, deren Mann für zwei Monate im Ausland arbeitet. Die Freundin hat ebenfalls zwei Kinder, und sie hatte ebenfalls viel bessere Laune als sonst. "Es ist nicht so schlimm, wie ich dachte", flüsterte die Freundin ins Telefon: "Ehrlich gesagt, ist es gar nicht schlimm. Ich bin viel entspannter als sonst. Weil kein Mann da ist, über den ich mich ständig aufregen muss, weil er nicht tut, was ich von ihm will." -

"Das ist beschämend!" sagte ich: "Wir sind nicht deshalb so gestresst, weil die Männer so wenig tun, wir sind gestresst, weil wir unsere Energie dafür verschwenden, penibel darauf zu achten, ob sie genauso viel tun wie wir!" - "Wenn das herauskommt, sind wir geliefert!" sagte die Freundin, "hochbrisante Erkenntnisse, auf keinem Fall dem Feind zuspielen, sonst hängt der nie wieder Wäsche auf." - "Wieso Feind? Das sind unsere Ehemänner!" rief ich.

Ich beschloss: Wenn mein Mann wieder da wäre, würde ich versuchen, so zu tun, als wäre er nicht da. Von einem abwesenden Mann kann man nichts erwarten, wer nichts erwartet, kann nicht enttäuscht werden - eine buddhistische Weisheit: Befreie dich von deinen Begierden (Ich will einen Topf spülenden Ehemann!"), und du befreist dich von allem Leid ("Verdammt, der Idiot hat schon wieder nicht die Töpfe gespült!"). Ich würde solche Dinge selbst tun oder hinnehmen, dass sie ungetan bleiben, ohne mich ärgern zu müssen: Nichtstun kann ich mühelos tolerieren, wenn ich selbst es bin, die nichts tut.

Wenn mann mein Mann doch in der Küche stehen und Töpfe spülen würde, würde ich innerlich rufen: "Oh, welch bezaubernde Überraschung! Wer ist nur dieser gut aussehende Mann in den besten Jahren, der da in der Küche steht und Töpfe spült, ohne dass ich darum gebeten habe? Ob er Lust auf ein Glas Wein mit mir hat?" Statt mich darauf zu fixieren, was mein Mann alles nicht oder nicht so tut, wie ich selbst täte, würde ich meinen Blick dafür schärfen, was er alles tut - und das ist, zugegeben, nicht wenig. Statt Unzufriedenheit und Nörgelei würden Dankbarkeit und Anerkennung Einzug halten in meiner Ehe.

Die Sache läuft ganz gut an, hat aber einen Haken: Wenn mein Mann gar nicht da ist - wer ist es dann, der jeden Morgen aus dem Haus geht, ohne seinen Kaffeebecher in die Spülmaschine zu stellen? Verdammt, ich bin doch nicht Mädchen für alles!

 

(aus der Brigitte 10/2009)

 

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Lach, das könnte ich sein... Trefferquote 100%... mir ging oder geht es am besten zuhause, wenn mein Mann ein paar Tage nicht da ist. Paradiesische Zustände herrschten zuhause, als er in einer Außenstelle für mehrere Monate seinen Dienst tun musste und nur am Wochenende und selbst da nicht immer, zuhause war.

 

Kopfschütteln ruft bei mir heute immer noch hervor, wenn 2 meiner Freundinnen jammern, dass ihr Göttergatte schon wieder Samstags arbeiten muss (herrlich, keiner der einem beim Putzen im Weg herumsteht) oder es gar wagt, ohne sie ein Wochenende mit den Kumpels zu verbringen.

 

Ich habe mich während der mehrmonatigen Abwesenheit meines Mannes genauso gefühlt, wie die beiden Mädels in Maries Bericht.

 

Es gibt einfach nichts Schlimmeres als die berühmten Satzanfänge... "hast du schon...", "machst du noch...", "denkst du an...", "wieso hast du noch nicht...". Und genau diese Sätze kommen NICHT von mir... soviel dazu, dass angeblich immer nur Frauen meckern... :mad:

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